Montag, 3. Dezember 2018

AdventsZEIT: Es ist Zeit, Zeit zu haben!


©SF
Und schon wieder ist der 1. Advent da, die erste Kerze brennt, das Türchen geöffnet oder das Säckchen geöffnet und vielleicht schon Plätzchen gebacken. Alles wie immer? Ja alles wie immer, denn wir haben keine Zeit. Nicht für uns, nicht für andere, wir sind gestresst. Unsere Kommunikation ist gestresst und stresst.

1. Advent, WhatsApp von Lulu an Dudu (Namen erfunden):
"Und wie sieht's aus mit Weihnachtsmarkt? Wenn nicht, is auch nicht schlimm...regnet ja eh :)"
Dudu an Lulu (Dudu hat einen Tag frei, Hamsterrad läuft trotzdem weiter):
"Oh sorry, es klappt nicht!! Ich musste doch länger als gedacht gestern arbeiten, und da ist so viel liegen geblieben!!! Das habe ich total unterschätzt. Jetzt habe ich noch die Hausarbeit von meinem Bruder korrigiert, dann noch die Unterseite von der Website von meinem Verein vorbereitet für den Relaunch... und jetzt steht auf meiner To-Do-Liste noch putzen, einkaufen, kochen. Also es tut mit total Leid, das schaffe ich heute nicht...
 Merkste selber? :D Lulu an Dudu:
"Oki alles klar, kein Problem, dann frohes Schaffen :)"
 1. Advent, WhatsApp von Tata an Lulu (Namen erfunden):
"Alles klar, dann komm zum Essen vorbei, in einer Stunde! Ich muss nur noch schnell zum Sport, ach und schnell einkaufen...und dann schnell duschen. Bringst du was mit? Ach oder zusammen einkaufen...aber dann rieche ich nach Schweiß, wie kommst du denn? also ich fahre jetzt eben schnell zum Sport!"
Lulu an Tata:
"ah ok, ja dann bis später, ich bin einfach einer Stunde bei dir. Komme mit dem Rad"
Ein Tag später Tata an Lulu: 
"also ich war total erschrocken gestern als ich auf die Uhr geschaut habe! So spät war es, ich war total übermüdet heute."
Lulu an Tata:
"Ja ist echt spät geworden, aber war schön! :)"
Tata an Lulu:
"Ich habe den Schlafmangel total gemerkt heute, wir hätten es gestern nicht so in die Länge ziehen sollen. Es war sehr spät. Ich bin so müde heute! Ich kann jetzt gerade nicht Stellung dazu nehmen, ob es schön war. Ich bin so müde."
Lulu an Tata:
"Bereust du unser Treffen?"
Tata an Lulu:
"Nein, ich bereue nur, dass wir es so in die Länge gezogen haben."
Lulu an Tata:
"Hmm, ok....also ich liebe es mir Zeit zu nehmen! Und zu vertrödeln"
Tata an Lulu:
"Ach echt? Nee da bin ich nicht so Fan von..."
Lulu an Tata: 
"Uhh... das klingt stressig."
WhatsApp von Lulu an Rere (Namen erfunden):
 "Ok, dann machen wir Montag das."
Lulu an Susu (Namen erfunden):
"Ja, Dienstag das..." Lulu an Kiki: "Mittwoch das...!", "Genau, Donnerstag...", "Ja, Freitag..." und schon wieder ist die ganze Woche verplant. Lulu an Mimi: "Nee, keine Zeit!"

Ein Tag vor dem 1. Advent WhatsApp von Wiwi an Susu (Namen erfunden):
"Lass uns erst mal telefonieren, bevor wir uns daten. Das ist effizienter...!"
Susu an Wiwi:
" Hm ok, ja gute Idee...!"
Wiwi an Susu: "Super." Ring ring... "Willst du mal eigene Kinder haben? Ernährung? Größe? Beruf? Politik? Verhütung?..."
Eineinhalb Stunden später nach dem Telefonat WhatsApp Wiwi an Susu:
"Das passt nicht mit uns. Wünsche dir alles Gute."
Susu an Wiwi: "Wow, das war wirklich effizient...! Dir auch alles Gute."
4 Monate vor dem 1. Advent an einem schönen Abend am See im Sonnenuntergang Tutu zu Bibi:
"Ahhh ist das schön hier... :)"
Bibi zu Tutu:
":( Hm ja... und ich habe noch so viel zu Hause zu erledigen...der Haushalt!! :(" 
Unsere Gesellschaft ist zutiefst kapitalistisch. Nicht nur, weil wir ohne Ende produzieren und konsumieren um ständig Wachstum zu generieren, sondern, weil wir keine Zeit haben. Wir sind unruhig und getrieben. Der Kosten-Nutzen-Gedanke ist bis in die Privatsphäre vorgedrungen und klebt dort alles zu.
Zeit ist knapp, Zeit ist Geld! Dieser Leitgedanke bestimmt nicht nur den Arbeitsalltag, wenn Arbeitsschritte im 15-Minuten-Takt akribisch in Zeiterfassungstabellen festgehalten werden müssen, sondern auch das intime, private Miteinander der Menschen in unserer Gesellschaft.
Die ständige (manchmal bewusste, oft unbewusste) Kosten- und Nutzen-Abwägung im Privaten macht, dass sich viele Menschen einsam fühlen. Es ist verletztend, wenn andere sich keine Zeit für eine Begegnung nehmen oder im Nachhinein dieses Zeitnehmen bereuen und dies sogar mitteilen. Besonders in Liebesbeziehungen. Die Botschaft ist "Du bist es nicht wert, dass ich meine kostbare Zeit für dich verschwende!" Der Nutzen entspricht nicht den Kosten. Andererseits ist es auch total übertrieben- besonders in lockeren Freundschaften- sich ständig umständlich zu entschuldigen und zu rechtfertigen, wenn ein Treffen nicht zustande kommt.
Alle wollen guten Sex haben, aber mit einer kapitalistischen Denkweise klappt auch das nicht und frustriert. Denn: Leidenschaft braucht Zeit, Loslassen, sich treiben lassen. Sonst wird das nur ein Schauspiel, aber nichts Echtes, Zufriedenstellendes. Und ist unsere Gesellschaft zufrieden? Nö, nicht wirklich.

Was wäre also anti-kapitalistisch? Das: Zeit fühlen, Zeit laufen lassen, Zeit vergessen, Zeit vertrödeln, einfach nix machen! Einfach sein. Alleine oder zusammen. Aber vor allem auch zusammen! Das ist nicht leicht? Die "Mühle", das "Hamsterrad", das "Zeitkorsett", der "durchgetaktete Alltag" lassen es nicht zu? Aber wer taktet denn den Alltag zu...

Der erste Schritt wäre, zumindest den Wunsch zu entwickeln Zeit zu haben. Wenn viele oder alle diesen Wunsch entwickeln und wirklich zulassen, dann kann sich ganz schnell etwas verändern und das Leben in unserer Gesellschaft gesünder werden, physisch und mental.

Kalender-Türchen zum 1. Advent:
ES IST ZEIT DA.
ES IST UNENDLICH VIEL ZEIT DA.
ES IST ZEIT DA, UM ZEIT ZU HABEN! 
SCHENKE ANDEREN ZEIT :)
©SF

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