Sonntag, 6. Dezember 2015

Billig fliegen ist (k)ein Genuss

Wer hat schon mal Stille Post gespielt? Als Kind bestimmt fast jeder. Aber als Erwachsener? Am Flughafen kann bzw. muss man dieses und weitere Spiele spielen.
Das geht so: Nachdem man sich nach Leibeskräften bemüht hat pünktlich am Gate zu sein, (dazu mit der Metro durch die ganze spanische Hauptstadt gefahren, quer durch den ganzen Flugfafen gewetzt ist, den Sicherheitscheck über sich ergehen lassen, bzw. die Arbeit der Flughafenpersonals noch mit erledigt hat (keiner befand es für notwendig die Gepäckkörbe richtig aufs Band zu schieben, sodass die Passagiere auf der anderen Seite vergeblich auf ihr Gepäck warteten, das noch gar nicht losgerollt war) und davor noch schnell den letzten Schluck Wasser ausgetrunken hat (auf der anderen Seite kann man ja die Flasche auf der Toilette mit Chlorwasser wieder auffüllen)), steht man sich zu guter Letzt am Gate die Beine in den Bauch (ach und hier erfährt man, dass für das Handgepäck der letzten Ankömmlinge oh Wunder kein Platz mehr an Bord ist. Das Handgepäck darf zwar kostenlos aufgegeben werden, verusacht aber am Zielflughafen Wartezeiten am Gepäckband, was das Verpassen der anvisierten S-Bahnen nach sich zieht).
So weit, so gut, äh schlecht. Hier in der Schlage vor dem Abflugsgate beginnt dann das Stille-Post-Spiel oder jedenfalls eines, das ihm ähnelt, aber noch keinen eigenen Namen hat.

Alle stehen ordentlich aufgereiht vor dem Schalter des Abfluggates. Ein nervöser Blick auf die Uhr, eigentlich ist Bordingtime. Stattdessen breitet sich am Anfang der Schlage Unruhe aus, ein Geraune geht los. Dann ertönt irgendeine kurze spanische Durchsage. Einige hinten in der Schlange recken die Hälse, was ist los? Was hat er gesagt? Die Schlange wird zu einem Knäul. Die Ersten setzen sich wieder auf die Bänke. Ein Wort macht die Runde: Verspätung. Und noch ein Wort dringt durch: Eineinhalb. Alle schauen sich ratlos an und versuchen die Informationen in Zusammenhang zu bringen. Bei einigen sind noch nicht mal die beiden Wörter angekommen. Es folgen keine weiteren Durchsagen. Kinder springen kreischend an ihren Eltern hoch.
"Mama Mama, was ist los?"
"Ich weiß es doch auch nicht, Kindchen."
"Hast du nicht zugehört?"
"Doch."

Nach eingehender Beratung sind sich die Flugpassiere einig: Das Flugzeug hat eineinhalb Stunden Verspätung! Ende des Spiels.
Hektisch, obwohl es keinen Grund zu Eile mehr gibt, werden die Handys gezückt und Angehörige informiert. Nebenbei wird um freie Steckdosen gerangelt, Akkus halten bekanntlicherweise nicht lange.
Eineinhalb Stunden später stehen alle wieder in Reih und Glied. Wenn auch müder und um einige Euros ärmer. Gut für die, die eine leere Plastikflasche dabei haben und immerhin kostenloses Chlorwasser trinken können. Dadurch haben sie beim sündhaft teuren Wasser gespart und konnten sich ein teures Sandwich leisten (selbst Burger King macht zeitig dicht, Pech für die Gäste verspäteter Flieger).

Im Flugzeug gibt es kein Stille-Post-Spiel mehr, auf einmal klappt das mit den Durchsagen.
Sogar in drei Sprachen wird die Werbung für ein Gewinnspiel durchgesagt! Auf Spanisch, Englisch, Deutsch und dann zur Sicherheit noch mal auf Englisch, damit auch alle mitbekommen haben, dass man mit einer Spende für die Kinderhilfsorganisation der Airline ein Auto gewinnen kann.
Die Frage, was die müden, durstigen und hungrigen Leute jetzt mit einem Auto sollen, stellt man sich lieber nicht. Das verdirbt nur die Laune. Ein gratis Getränk oder eine sontige Entschädigung gibt es erst ab zwei Stunden Verspätung. Schade, wenn man nur 119 Minuten und 59 Sekunden zu spät dran sind! Eine Sekunde fehlt.

Ah, dann kommt doch noch eine Erklärung für die Verspätung, vom Pilot persönlich. Man hätte technische Probleme mit der Sicherheitsbeleuchtung im Flugzeug gehabt. Jetzt sei wieder alles in Ordnung, kein Grund zur Sorge. Achso, wenn's sonst nichts ist... Der Pilot entschuldigt sich nochmals und verspricht Abkürzungen zu nehmen. Äh, wie bitte? Gibt es im Luftraum auch so Schleichwege, Feldwege und Schnellstraßen? Ist bestimmt wieder ein neues Spiel, so wie Hase und Igel oder so. Die Stimme aus dem Off merkt an, dass sie leider über Paris fliegen müsse. Ok, na und, was sollen wir mit der Information anfangen? Es ist also nun Rätselraten angesagt.
Später meldet sich der Pilot wieder und weist darauf hin, dass man unten nun Paris erkennen könne. Ach wirklich? Das ist nichts als schwarze Dunkelheit... Jetzt spielen wir also Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst... und das ist Paris!
Dann wünscht der Pilot noch einen schönen Aufenthalt am Zielort. Das "Gute Weiterreise" entfällt diesmal. Wäre auch überflüssig, denn für viele sind die letzten Anschlussverbindungen eh weg.

Aber was soll's, wer billig fliegen möchte ist selber Schuld und darf sich über nichts und niemanden beschweren! Dafür wurde doch für ein kostenloses und unterhaltsames Spielprogramm gesorgt. Je nachdem wie man es betrachtet, ist billig fliegen eben (k)ein Genuss.




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