Sonntag, 10. August 2014

Ich bin dann mal weg, ABER…

Körperhülle im Sonnenstuhl


WhatsApp, Facebook und Twitter machen‘s möglich: Wir sind pausenlos erreichbar. Auch der Urlaub ist keine Pause. Wer sagt heute schon „Ich bin dann mal weg“ ohne ein „aber…“ hinterherzuschieben?
Ich bin dann mal weg, aber ich habe mein Handy dabei, falls etwas ist!  …, aber du kannst meinen Status bei Facebook verfolgen! …, aber es gibt dort WLAN, ich kann also meine Mails checken und schaue mir den Bericht dann mal kurz an! Postkarten aus dem Urlaub zu verschicken ist eigentlich überflüssig. Wenn die Karte bei meiner Freundin auf dem Küchentisch liegt, weiß sie doch schon, dass ich heute 15 km wandern war. Ich erinnere mich noch an das unglaubliche Gefühl, wenn es hieß: „Sommerferien, 6 Wochen lang keine Schule!“ Damals, als Ferien noch Ferien waren.

Von vielen Mitschülerinnen und Mitschülern hörte und sah ich dann wirklich sechs Wochen nichts. Das konnte sehr angenehm und entspannend sein. Unangenehm und verwirrend war jedoch ein stets widerkehrender Traum, der mich in jedem Urlaub nachts hochschrecken ließ: Ich träumte, dass der Urlaub vorbei sei und ich wieder in der Schule säße. Die Klassenkameraden schwärmten mir von ihrem Surf-Urlaub vor, die Lehrerin stellte missmutig den Stundenplan vor und drohte dabei mit den anstehenden Klausuren… Alles wirkte so real, dass ich mir am nächsten Morgen eine Weile die Augen reiben musste.

Mittlerweile ist dieser Traum durch die Möglichkeiten des Internets Realität geworden. Die Gedanken, der Geist, die Seele - oder wie auch immer man es nennen mag – ist vor Urlaubsende abgereist oder ist erst gar nicht mitgekommen. Im Sonnenstuhl sitzt nur die Hülle des menschlichen Körpers. Soziale Medien, könnte man meinen, dienen der Unterhaltung. Aber nein, auch hierüber werden im universitären Rahmen Gruppenarbeiten organisiert, man wird zudem ungefragt informiert, wie weit die anderen mit ihrer Projektarbeit sind. Dieser permanente Einblick in die Welt zu Hause lässt ein schlechtes Gewissen entstehen: alle sind fleißig, während man selbst im Urlaub chillt.

Größtenteils liegt die Verantwortung beim Individuum, das stimmt. Wir könnten ja einfach mal offline gehen und uns unerreichbar, also unsichtbar machen. Der Spaß hört jedoch auf, wenn zum Beispiel wichtige Referats- und Projektthemen in der Urlaubszeit; ach so etwas gibt es nicht mehr, also während der Semesterferien; was schreibe ich von FERIEN, also in der vorlesungsfreien Zeit, vergeben werden. In der Mail heißt es dann, dass die Verteilung unmittelbar erfolgen solle. 

Schließt man sich jedoch dem zivilen Ungehorsam an- denn das bedeutet offline zu sein heute- dann sind alle Themen vergeben und man muss sich mit den Überresten des Verteilungskampfes begnügen. Das kann im schlimmsten Fall (ich übertreibe hier ein wenig, aber nur ein klein wenig) für das nächste halbe Jahr Stress und am Ende eine schlechte Note bedeuten. Bloß nicht! Also doch lieber Mails checken. Und wenn man schon dabei ist; die anderen 20 Textnachrichten können ja nicht ignoriert werden. Was haben wir denn da… ach, eine Absage! Und schon ist die Urlaubserholung auf und davon, bevor der Urlaub zu Ende ist.

In einem richtigen Urlaub kann man abschalten, loslassen, Dinge reflektieren und verarbeiten. Es geht ums Kräftesammeln. Die Batterie kann jedoch nicht aufladen, wenn ohne Unterbrechung Strom verbraucht wird. Das ist menschlich und hat nichts mit Schwäche zu tun. Also: Halbe Urlaube, während denen die Gedanken schon wieder mit der Arbeit beschäftigt sind, bringen nichts. Dann können wir es auch gleich lassen und 365 Tage im Jahr durcharbeiten. Irgendwer wird uns bestimmt dafür danken. 

In einem richtigen Urlaub kann man abschalten, loslassen, Dinge reflektieren und verarbeiten. Es geht ums Kräftesammeln.

Nicht umsonst plant NRW - Arbeitsminister Gundram Schneider eine „Anti-Stress-Verordnung“. Studien zeigen, dass Arbeit und Freizeit in der Kommunikationsgesellschaft immer schwerer zu trennen sind. Daher möchte der Minister Rahmenbedingungen schaffen, die die Work-Life-Balance retten sollen.

Die Welt aus einer anderen Perspektive, also aus einer Urlaubsperspektive zu betrachten tut gut. Der Blick auf das in den blauen Himmel ragende massive Felsgestein von Bergen zeigt einem aufmerksamen Betrachter, wie überwichtig wir uns im Alltag mit unserer Leistung, mit unserer Produktivität, mit unseren Zielen und Projekten nehmen. Ich rufe also dazu auf mutig Urlaub zu machen, also wirklich in die Ferien zu gehen, und sei es nur eine Woche und in 20 km Entfernung. Damit möchte ich in erster Linie mir selbst Mut machen ;) 

Jetzt bin ich ein Vorbild, höre auf im Urlaub zu bloggen und gehe offline. 

Ich bin dann mal weg. Punkt.

Foto: pixabay.com

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